Weniger arbeiten und dafür mehr Geld bekommen: Das klingt erst einmal paradox. Doch genau das wird mit dem Steuermodell des Ehegattensplittings gefördert.
Wie das Ehegattensplitting funktioniert? Familien können Steuern sparen, wenn der Besserverdienende – in der Regel der Mann – sich auf die Karriere konzentriert und Vollzeit arbeitet, während die geringer Verdienende – meistens die Frau – ihre Arbeitszeit reduziert oder sogar ganz zuhause bleibt.
Das Ehegattensplitting wird derzeit wissenschaftlich untersucht. Dazu findet aktuell eine Umfrage statt. Nimm dir zwei Minuten Zeit und beantworte zwölf Fragen:
Das Ehegattensplitting gibt es in Deutschland seit Ende der 1950er Jahre. Damit stammt das Steuermodell aus einer Zeit, in der eine Rollenverteilung mit dem Ehemann als Hauptverdiener und der Ehefrau als Hausfrau noch Standard war. Familien konnten und können Steuern sparen, wenn die Frau nur wenig oder gar nicht arbeitet, weil beim Ehegattensplitting für einen der beiden Ehepartner ein sehr niedriger und für den anderen Ehepartner dafür im Gegenzug ein sehr hoher Steuersatz festgelegt wird. So lässt sich durch weniger arbeiten Steuern sparen – denn bei einem ohnehin kleinen Gehalt fällt ein hoher Steuersatz nicht ins Gewicht. Die Steuerersparnis beim Hauptverdiener schlägt aber so zu Buche, dass am Ende deutlich mehr Netto vom Brutto bleibt.
WENIGER ARBEITEN HEISST WENIGER KARRIERE
So lange die Ehe hält und beide mit dieser Arbeitsteilung zufrieden sind: wunderbar. Zum Problem wird das ganze aber, wenn es zur Trennung kommt. Denn dieses Steuermodell treibt viele Frauen in die Teilzeitfalle. Sie arbeiten weniger und bleiben zugunsten der Kinder zuhause und können damit auch noch Steuern sparen – verzichten dabei aber auf eine berufliche Karriere.
Nach einer Scheidung lassen sich die verlorenen Jahre im Beruf oft nicht mehr aufholen, und das Einkommen bleibt niedrig. Denn anders als frühere Generationen von Frauen, die nach der Scheidung über viele Jahre von ihren Exmännern Unterhaltszahlungen fordern konnte, wird von der Frau von heute erwartet, dass sie nach der Scheidung finanziell sehr schnell auf eigenen Beinen steht. Mit einem Lebenslauf voller Teilzeitjobs im Niedriglohnsektor ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.
STEUERN SPAREN MIT RISIKO
Steuern sparen mit dem Ehegattensplitting spült zwar anfangs mehr Geld in die Familienkasse, birgt aber im Fall einer Scheidung viele Risiken. Laut Medienberichten sind rund ein Drittel der Alleinerziehenden auf Hartz IV angewiesen, denn nach Jahren in schlecht bezahlten Teilzeitjobs ist ein beruflicher Neustart schwierig. Besonders tragisch: Auch die Kinder sind in diesen Fällen von Armut betroffen.
Auch die Gefahr von Altersarmut steigt, wenn Frauen zugunsten der Familie und steuerlich unterstützt durch das Ehegattensplitting auf ihre berufliche Karriere verzichten. Denn ein niedriges Gehalt bringt kaum eigene Rentenansprüche.
EHEGATTENSPLITTING AUF DEM PRÜFSTAND
Kritisiert wird das Ehegattensplitting schon seit Jahren, und zwar von höchster Stelle. Unter anderem die EU-Kommission mahnt, das Steuerkonzept halte Frauen vom Berufsleben fern. „Die besonderen Vorschriften des Ehegattensplittings mindern für Zweitverdiener insbesondere den Anreiz, die Zahl ihrer Arbeitsstunden aufzustocken“, hieß es schon 2019 in der Empfehlung des Europäischen Rats 2019 zum Reformprogramm für Deutschland. Auch der OECD rügt, das Ehegattensplitting setze die falschen steuerlichen Anreize.
Untersucht worden sind die Auswirkungen des Ehegattensplittings immer wieder in verschiedenen Studien. So kommt etwa das RWI Leibniz Institut zu dem Schluss, dass eine Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Ehepaaren mit großem Gehaltsunterschied zu rund einer halben Million zusätzlicher Jobs, mehr Wirtschaftswachstum und weniger Staatsverschuldung führen würde.