Mobbing am Arbeitsplatz ist ein verbreitetes Problem. Doch was tun, wenn das Berufsleben zur Hölle wird? Wo Menschen zusammenkommen, läuft nicht immer alles glatt. Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten, sich zu wehren.
Aber was tun, wenn tägliche Schikanen von Kollegen und Kolleginnen oder Vorgesetzten das Berufsleben zur Hölle machen? Mobbing am Arbeitsplatz ist ein weit verbreitetes Problem. Die gute Nachricht: Es gibt Hilfen und Möglichkeiten, sich zu wehren.
„Jeden Morgen wenn ich den langen Gang zu meinem Büro entlanglief, verstummten die Gespräche und die Türen gingen zu“, erinnert sich Angela Bach. Die 57-Jährige, die eigentlich anders heißt, arbeitet seit elf Jahren in der mittleren Führungsebene im öffentlichen Dienst einer Behörde in einer deutschen Großstadt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Probleme mit Mobbing am Arbeitsplatz haben würde, ich bin eigentlich gar nicht der Opfertyp“, sagt sie.
Bach ist kein Einzelfall. Laut einer Umfrage der Organisation Yougov in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt aus dem Jahr 2021 gaben knapp 30 Prozent der teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, am Arbeitsplatz schon einmal gemobbt worden zu sein. Dabei sind Frauen mit rund 35 Prozent scheinbar deutlich häufiger betroffen als Männer, von denen der Studie zufolge nur 22 Prozent schon einmal Erfahrungen mit Mobbing am Arbeitsplatz gemacht haben. „Dieses Bild ergibt sich aber auch daraus, dass sich Frauen ein Mobbing-Problem schneller eingestehen und sich Hilfe holen“, sagt Diplom-Psychologe Ludwig Gunkel von der Mobbing Beratung München.
Mobbing am Arbeitsplatz hat viele Gesichter
Doch wie kommt es zu Mobbing am Arbeitsplatz? „Meistens verbirgt sich dahinter irgendein Konflikt, der nicht offen angesprochen wird, wie zum Beispiel Neid oder Enttäuschung“, erklärt Gunkel. Auch der Leidensweg von Angela Bach nahm so seinen Anfang. „Alles begann damit, dass ich einen neuen Aufgabenbereich bekam, der mich gegenüber den anderen im Team herausstellte. Damit kam eine meiner Kolleginnen überhaupt nicht zurecht“, erzählt sie. Die Folge: Bachs Kollegin suchte nach Verbündeten, um gegen sie Stimmung zu machen– mit Erfolg.
Plötzlich sei sie nicht mehr zum gemeinsamen Mittagessen eingeladen worden und kam bei Besprechungen nicht mehr zu Wort, berichtet Bach: „Ich wurde ständig unterbrochen, und immer wieder wurden mir vermeintliche Fehler bei der Arbeit unterstellt und hinter meinem Rücken an meine Vorgesetzten gemeldet. “Auch direkten Anfeindungen und Beleidigungen sei sie ausgesetzt gewesen: „Ich musste mir zum Beispiel anhören, dass ich herumlaufe wie eine Vorstadtsekretärin.“
Mobbing am Arbeitsplatz habe viele Gesichter, sagt Gunkel. Bei Kolleginnen und Kollegen mit weniger qualifizierten Tätigkeiten werde häufig das Äußere, der Kleidungsstil oder Privates wie Hobbys und persönliche Ansichten kritisiert. In den höheren Ebenen werde dann meistens die Arbeit schlechtgemacht.
Frauen mobben anders
Unterschiede gebe es auch bei den Geschlechtern: „Frauen mobben anders als Männer“, sagt Gunkel. Oft seien besonders engagierte und kompetente Mitarbeiterinnen betroffen: „Da heißt es dann, die hat ja keine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, um die sie sich kümmern muss.‘“ Kritik dieser Art gebe es unter Männern nicht. Zudem würden Frauen sowohl von ihren Geschlechtsgenossinnen als auch von männlichen Kollegen gemobbt. Dass umgekehrt Männer von Frauen gemobbt würden, komme dagegen „so gut wie nie“ vor.
Von Mobbing spreche man jedoch erst, wenn sich der Konflikt ausschließlich gegen eine einzelne Person richte und über einen längeren Zeitraum anhalte, räumt Gunkel ein. Wilfried Dormann, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht und ebenfalls in der Mobbing Beratung München aktiv, erklärt: „Vielen meiner Mandanten, die wegen Mobbing am Arbeitsplatz zu mir kommen, muss ich erst einmal erläutern, was Mobbing überhaupt ist.“
Ab wann ist es Mobbing?
Ein juristischer Tatbestand sei der Begriff Mobbing nämlich nicht. Allerdings greife bei entsprechenden Vorfällen ein Paragraph aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Der Gang zum Gericht sei jedoch als erster Schritt grundsätzlich nicht ratsam: „Wenn es zum juristischen Prozess kommt, lässt sich das Arbeitsverhältnis meistens nicht mehr aufrecht erhalten. Darüber sollte man sich bewusst sein.“
Immer wieder erlebe er auch, dass es Mandanten und Mandantinnen an elementaren Grundkenntnissen des Arbeitsrechts fehle: „Wenn mir ein Vorgesetzter eine Anweisung erteilt und Vorgaben macht, auf welche Weise ich den Auftrag ausführen soll, dann ist das kein Mobbing. Grundsätzlich darf der das.“
Um die Situation beurteilen zu können, müsse man das Verhalten von Vorgesetzten und Kolleginnen oder Kollegen in einem größeren Kontext sehen. Jeder Fall sei individuell. Deshalb sei es oft schwierig, die Erfolgsaussichten vor Gericht im Vorfeld einzuschätzen. Manchmal sei die Sachlage aber auch klar, „zum Beispiel wenn man nach der Reha ins Büro kommt und dort ein leeres Zimmer ohne Rechner vorfindet, oder einen der Chef vor dem Team wegen des unsauberen Verlassens der Toilette zurechtweist.“
In solchen Fällen gebe es die Möglichkeit, sowohl die Täter als auch den Arbeitgeber zu verklagen und unter Umständen Schmerzensgeld oder eine Entschädigung zu bekommen. Wer seinen Job behalten wolle, sollte aber eher das Gespräch suchen.
Von einer Mediation rät Dormann bei Mobbing am Arbeitsplatz allerdings eher ab. Oft werde das begleitete Vermittlungsgespräch von den Tätern nämlich dazu missbraucht, um das Mobbingopfer erneut zu schikanieren und zu demütigen: „In einer Täter-Opfer-Konstellation wird die Mediation leicht zur Plattform für weitere Angriffe.“
Coachen oder klagen?
Sinnvoller sei es, sich zunächst an vertrauenswürdige Ansprechpartner im Betrieb zu wenden, etwa an die Personalabteilung. Auch Gunkel rät zu diesem Vorgehen: „Man sollte sich erst einmal jemanden suchen, mit dem man sich versteht, und das Problem ansprechen.“ Auch Bach hat diesen Weg gewählt. Ein Jobwechsel sei für sie nicht in Frage gekommen. Deshalb habe sie die Situation mit ihren Vorgesetzten besprochen: „Und sie standen alle hinter mir. Das hat mich sehr bestärkt.“
Verbessert habe sich die Lage zunächst jedoch nicht. Unterstützung fand Bach dann bei einer Mobbingberatung. Gemeinsam mit einer Expertin entwarf sie den Plan, in konstruktiven Einzelgesprächen mit allen Täterinnen zu klären, wie sich eine entspannte und friedliche Arbeitsatmosphäre herstellen lässt – eine Methode, die funktionierte. Die Kolleginnen seien ihr offen und freundlich begegnet, und bislang habe es bei ihr keine Vorfälle von Mobbing am Arbeitsplatz mehr gegeben.
Differenzen offen anzusprechen entschärfe die Konflikte meistens, sagt auch Gunkel. Von zentraler Bedeutung sei dabei jedoch die Fähigkeit, den Sachverhalt objektiv und ohne Vorwürfe zu schildern: „Sonst kommt man sehr schnell in eine Spirale der gegenseitigen Anschuldigungen.“ Sei die Situation sehr verfahren, sei es hilfreich einen Coach oder eine Coachin hinzuzuziehen. Auch wenn das Problem nicht sofort aus der Welt geschafft werden könne, sei es in jedem Fall wichtig, aktiv gegen Mobbing am Arbeitsplatz vorzugehen und die Angriffe der Kolleginnen und Kollegen nicht stillschweigend zu ertragen: „Wer sich wehrt, fühlt sich besser.“
Auch Bach hat nicht vor, kampflos aufzugeben. Ihr letztes Vieraugengespräch mit der Kollegin, die am aggressivsten gegen sie vorgegangen sei, stehe noch aus, berichtet sie. Sollte der Versuch einer friedlichen Einigung nicht fruchten, sei sie inzwischen auch bereit zu klagen. Sich einen neuen Job zu suchen sei für sie jedoch weiterhin keine Option. „Ich mache meinen Job gerne und ich mache ihn gut. Das lasse ich mir durch Mobbing am Arbeitsplatz nicht kaputtmachen“, sagt Bach.